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Ist Pluto jetzt wieder ein Planet?

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In den englischsprachigen Ecken des Internets kann man seit einigen Tagen immer wieder lesen, dass Pluto wieder als Planet klassifiziert worden ist. Und so sehr sich vor allem die amerikanischen Freunde des kleinen Himmelskörpers darüber freuen: Es stimmt nicht. Pluto ist, so wie seit 2006, immer noch ein Zwergplanet beziehungsweise ein großer Asteroid. Die Internationale Astronomische Union hat ihre Meinung nicht geändert. Die Meldung, dass Pluto seinen Planetenstatus zurück erhalten hat, basiert auf einer Podiumsdiskussion des Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics bei der das Publikum am Ende dafür gestimmt hat, Pluto wieder zu einem Planeten zu machen.

Die Diskussionen um Pluto gibt es schon seit Jahrzehnten und es wird sie vermutlich noch viel länger geben. Die ferne Eiswelt war von Anfang an nicht das, was sich die Menschen vorgestellt hatten. Anfang des 20. Jahrhunderts war man noch davon überzeugt, es müsse hinter der Neptunbahn einen großen “Planet X” geben, dessen störenden Einfluss auf die Planetenbahnen man zu beobachten glaubte. 1930 entdeckte man schließlich Pluto – und stellte fest, dass er eigentlich viel zu klein war, um die Rolle dieses störenden Himmelskörpers einzunehmen. Aber trotzdem bezeichnete man ihn als Planeten und führte ihn als Nummer 9 der Planetenliste.

2006: Pluto wird rausgewählt (Bild: Astronomical Institute, Academy of Sciences of the Czech Republic, CC-BY-SA 2.5)

2006: Pluto wird rausgewählt (Bild: Astronomical Institute, Academy of Sciences of the Czech Republic, CC-BY-SA 2.5)

In den 1990er Jahren machte man dann zwei relevante Entdeckungen: Man fand heraus, dass ein “Planet X” gar nicht nötig war, da die Unregelmäßigkeiten in den Planetenbahnen auf ungenau Messungen der Masse von Neptun zurückzuführen waren. Und man entdeckte die ersten Asteroiden des Kuipergürtels, der sich hinter der Neptunbahn erstreckt. In den Jahren danach fand man immer mehr und immer größere Asteroiden die sich genau dort aufhielten, wo sich auch Pluto aufhält. Schon damals waren viele Astronomen der Meinung, es wäre vernünftiger, auch Pluto selbst als Asteroid zu klassifizieren. Immerhin verhielt er sich wie ein Asteroid und befand sich dort, wo sich auch jede Menge andere Asteroiden befinden. Aber die Internationale Astronomische Union (IAU) die für solche Entscheidungen offiziell zuständig ist, wollte lieber den Status Quo beibehalten. 2005 schließlich fand man einen Himmelskörper in der Asteroidenregion, der nach damaligen Wissensstand größer als Pluto war. Jetzt musste man entweder dem Sonnensystem einen weiteren Planeten hinzufügen oder aber Pluto endlich als Asteroid klassifizieren. 2006 gab es eine Abstimmung der Astronomen in der IAU und das Ergebnis ist bekannt: Seitdem hat das Sonnensystem nur noch 8 Planeten; bekam aber 5 neue Zwergplaneten (inklusive Pluto) dazu.

Ich habe über diese Entscheidung schon früher geschrieben und auch wenn es durchaus Raum für berechtigte Kritik gibt, bin ich doch gemeinsam mit den meisten der anderen Astronomen der Meinung, dass es eine richtige Entscheidung war. Pluto IST kein Planet. Die Geschichte ist auch nicht so außergewöhnlich wie man denken mag. Schon im 19. Jahrhundert gab es das gleiche Spiel schon einmal: Damals entdeckte man zwischen den Bahnen von Mars und Jupiter einige neue Himmelskörper und bezeichnete sie als Planeten. Es dauerte einige Jahrzehnte, bevor man sich zu der Erkenntnis durchringen konnte, dass man sich getäuscht hatte und diese ganzen Objekte als “Asteroiden” bezeichnete. Pluto war nicht der erste Himmelskörper der früher mal ein Planet war aber heute keiner mehr ist.

plutoceres

Pluto ist immer noch so interessant, wie er früher war – egal ob man ihn nun “Planet” nennt oder nicht. Die Astronomen erforschen ihn noch mit der gleichen Begeisterung, mit der sie das früher getan haben. Aber vor allem in Amerika ist man mit der “Degradierung” Plutos auch heute noch nicht einverstanden. Immerhin war es der einzige Planet, der von einem Amerikaner entdeckt wurde… Es ist also kein Wunder, dass dieses Thema vor allem dort auch heute noch heftig diskutiert wird. Und genau so eine Diskussion fand kürzlich am Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics statt. Das Ziel der Veranstaltung war:

“to find a definition that the eager public audience could agree on!”

Dazu haben drei Wissenschaftler ihre persönliche Definition dessen vorgestellt, was ein Planet ist und was nicht. Der erste von ihnen waren Owen Gingerich, ein Astronom und Wissenschaftshistoriker (über dessen Arbeit ich kürzlich schon mal berichtet habe) der im wesentlichen meinte, dass Pluto aus historischer Sicht weiterhin als Planet bezeichnet werden sollte. Diese Einstellung halte ich, ehrlich gesagt, für Unsinn. Aus historischer Sicht sind zum Beispiel auch Sonne und Mond Jahrhunderte lang als Planeten bezeichnet worden. Aber heute wissen wir es eben besser und das ist auch bei Pluto der Fall. Asteroidenexperte Gareth Williams ist genau dieser Meinung und hat bei der Diskussion den derzeitigen Status des Pluto verteidigt; im Gegensatz zu Exoplanetenforscher Dimitar Sasselov. Er merkte – zu Recht! – an, dass sich die aktuelle Definition der IAU unverständlicherweise nur auf das Sonnensystem bezieht und als “Planet” offiziell nur das definiert, was die Sonne umkreist und dabei die ganzen Planeten anderer Sterne ignoriert. Das ist eine berechtigte Kritik; ändert aber meiner Meinung nach nichts an der Einstufung des Pluto. Sasselov aber schlug in der Diskussion vor, als Planet all jene Himmelskörper zu bezeichnen, die sich um einen Stern gebildet haben und die eine sphärische Form haben.

Das ist keine neue Idee, aber zumindest aus meiner Sicht nicht zielführend. Vielleicht liegt das daran, dass ich als Himmelsmechaniker auch immer auf die Dynamik der Objekte achte und nicht rein auf die physikalische Erscheinung beziehungsweise Entstehung. Momentan wird ja als Planet nur das definiert, was nicht nur sphärisch ist, sondern auch dank seiner Größe ausreichend “dominant” war. Soll heißen: Bei der Entstehung des Sonnensystems haben sich große Himmelskörper aus kleinen Objekten gebildet. Zuerst waren da jede Menge kleine Felsbrocken, die sich zu immer größeren Himmelskörpern zusammengeschlossen haben. Wuchs ein Objekt schnell genug, konnte es seine Umgebung dominieren und den ganzen Schutt der da noch rumschwirrte entweder einsammeln oder aus dem System schmeißen (dynamische Spezialfälle wie Trojanerasteroiden die erst später wieder eingefangen wurde, ignorieren wir jetzt einfach mal). Bei den acht Planeten unseres Sonnensystems ist das der Fall; bei den großen Asteroiden des Kuipergürtels aber nicht. Die sitzen immer noch mitten zwischen den anderen Felsbrocken. Aus dynamischer Sicht ist diese Unterscheidung zwischen “Planet” und “Zwergplanet” also durchaus sinnvoll.

Sasselovs Vorschlag kam bei der Abstimmung des Publikums allerdings am besten an. Würde man ihm folgen, würde das Wort “Planet” aber schnell ziemlich bedeutungslos werden. Braune Zwerge; Gasriesen mit mehrfacher Jupitermasse; Gesteinsplaneten wie die Erde und kleine Felsbrocken inmitten von Asteroidengürteln wären laut Sasselovs Vorschlag alle “Planeten” und wenn astronomisch und physikalisch so völlig unterschiedliche Objekte mit dem gleichen Wort bezeichnet werden, dann hat es keine wirkliche Bedeutung mehr. Und auch all diejenigen, die sich darüber beschweren dass der Merksatz “Mein Vater erklärt mir jeden Sonntag unsere neun Planeten” nicht mehr stimmt seit Pluto kein Planet mehr ist (Nehmt doch einfach: “Mein Vater erklärt mir jeden Sonntag unseren Nachthimmel”!) werden nicht glücklich werden. Denn Sasselovs Vorschlag würde nicht nur einfach zu einer Reklassifikation des Plutos führen, sondern der planetaren Familie mindestens ein paar Dutzend weitere Objekte hinzufügen, denen in Zukunft wahrscheinlich noch ein paar hundert folgen würden. Man bräuchte dann keinen Merksatz mehr, sondern vermutlich ein ganzes “Merkbuch”.

Wer möchte kann sich die ganze Veranstaltung übrigens auch als Video ansehen:

Ich persönlich denke, dass das Problem grundsätzlich nicht konfliktfrei lösbar ist. Die Übergänge zwischen den Himmelskörpern sind fließend und lassen sich eben nicht in starre Grenzen zwingen. Entweder wir denken uns eine entsprechend fließende Klassifikation aus (vielleicht analog zur Systematik in der Biologie) oder wir müssen damit leben, dass die Definitionen ungenau sind. Aber derzeit ist Pluto definitiv kein Planet.

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